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Musik für Streichinstrumente und Klavier
(CD »accelerando«)

Kurt Schwaen: accelerando. Klavier-Trios und Klavier-Duos

»... unruhig und neugierig wie eh und je «

(Auszug aus dem Booklet-Text)

Als vorliegende Zeilen geschrieben wurden, feierte der Komponist Kurt Schwaen seinen 91. Geburtstag! (...) Unermüdlich schreibend, steckt Schwaen voller Pläne und Ideen, überrascht mit unorthodoxen Lösungen. Sein »Material« erweist sich als unverschlissen, beste Voraussetzung zu – im Sinne Brechts – weiteren »nützlichen Vorschlägen«, bislang Gestalt geworden in einem weit über 600 Werke zählenden Œuvre. (...)

Schwaens kompositorische Arbeit war von Anfang an weniger auf »große Kunst« denn auf eine Musik ausgerichtet, die ohne Umschweife zur Sache kam, die auf Bedürfnisse reagierte, die befriedigt werden mussten, und die alles das mit hoher Kunstfertigkeit und praktikabler Handhabbarkeit verband. Lied, Kantate, Chorsatz, Lehrstück (Brecht), Funkoper, Film-, Bühnen- und Hörspielmusik, Ballett und Oper – darunter viele Werke für Kinder: Schwaens Bemühungen und Verdienste um eine in hohem Maße anwendbare, im Wortsinne brauchbare Musik sind evident. Hier haben sich jene Direktheit und Präzision, jene aller Glätte entbehrende gestische Prägnanz herausgebildet, die auch die vielen anderen Kompositionen Schwaens charakterisieren. Seine Musik setzt auf Kommunikation. Sie wünscht sich den mitgestaltenden Interpreten und den aktiven Hörer. Sie unterwirft sich keiner Mode, akzeptiert keinerlei Zwänge, sie verzichtet auf »Botschaften«, nicht aber auf die ethisch begründete Funktion des im weitesten Sinne Nützlichen. Und sie ist in der bruchlosen Verbindung von Intellekt und prononcierter Musikalität ein nicht eben häufiger Glücksfall zeitgenössischer Musik. Schwaen sieht sich noch immer in die Pflicht genommen:

»Ich bin unruhig und neugierig wie eh und je. Ich will das Vergangene nicht vergessen, aber hinter mir lassen, um bereit zu sein für neue Aufgaben.« (1996)

Im sich noch immer stetig erweiternden Gesamtwerk Kurt Schwaens gibt es nicht wenige besonders intensiv berücksichtigte Schwerpunkte; die Dominante aber heißt: Kammermusik! (...)

Schwaens auf Klarheit, Konstruktivität, Distanz, prägnante Kürze und vitales Musizieren setzende musiksprachliche Spezifik spricht dafür ebenso wie das Bevorzugen entsprechender und sehr differenziert ausfallender Besetzungen bzw. die Abneigung gegenüber Großformen und deren tradierten »Inhalten« (...)

»Im Grunde ist das Sich-begrenzen-müssen eine Voraussetzung für das Komponieren. Man muss immer aus dem schier grenzenlosen Material an Instrumenten, Klängen, Stilmitteln und Formen auswählen und mit dem Zweck und Anlass oder Auftrag in Übereinstimmung bringen«.

Kompositionen für Streichinstrumente – auch gekoppelt mit Klavier – finden sich seit frühester Zeit im Werkverzeichnis Schwaens, der selbst als Geiger im Studentenorchester mitgespielt hat. Seine erste gedruckte Komposition ist diesem Instrument gewidmet und stammt von 1932 (Kleine Suiten für Violine solo) (...)

Schwaens Vermögen, seine Ziele konzentriert und auf direktestem Wege zu erreichen und »Ergebnisse« so knapp wie überzeugend zu formulieren, prägt auch diese Werke: Trio Nr. 1 noch am wenigsten, Trio Nr. 2 in fast schroff-tänzerischer Diktion schon sehr viel deutlicher, nicht weniger ausgeprägt auch Klaviertrio Nr. 3. Vergleicht man dieses Werk mit den beiden vorangegangenen, dann gibt es mit der Dreisätzigkeit ein verbindendes Moment. Auch hier sind es schnelle und resolute Ecksätze, die einen sehr kurzen Mittelsatz umrahmen. (...) Es ist bemerkenswert, dass dieses elementare, temperament- und drangvolle Musizieren ein Stück auszeichnet, das für ein nichtprofessionelles Ensemble (Universitätskammertrio Greifswald) geschrieben wurde.

Hinsichtlich des Klaviertrios Nr. 4 liegen die Dinge anders. Schwaen komponierte es für das (professionelle) Rostocker Klavier-Trio und dimensionierte es deshalb artifiziell und spieltechnisch deutlich anspruchsvoller. Vier Sätze verleihen dem Werk etwas von der traditionell gewachsenen Gewichtigkeit des Zyklischen. (...) Bemerkenswert die Erlebnisqualität des Elementaren, die Dichte der musikalischen Struktur und die Intensität des Ausdrucks gerade auch dort, wo Aufwand zurückgenommen wird; Tugenden, die den »Arbeiter in Musik« (!) Kurt Schwaen auch beim Klaviertrio Nr. 5 leiteten. (...) Schwaen präsentiert hier auf engstem Raum einen Mikrokosmos von Musizierweisen und Ausdruckshaltungen, wie sie unterschiedlicher und konzentrierter kaum gedacht werden können. Der prägnante Aphorismus ist hier ebenso vertreten wie die ausladende Geste und an Herbheit fehlt es ebenso wenig wie an (gebremster) melodischer »Süße«. Hartes steht neben Gefälligem, Harmonisches neben der Verfremdung – die Liste ließe sich verlängern. Kürze voller Würze ...

Mit der Suite classique für Violine und Klavier bedient Schwaen bewusst die Muster traditioneller Satzgestaltung. Er nutzt sie natürlich zu eigener und eigenwilliger Gestaltung unterschiedlicher Satzcharaktere: virtuos und entschlossen in den äußeren Rahmenteilen, kantabler in einem »inneren Ring«, der den burschikosen 3. Satz umschließt. Ob ruhig oder bewegt, mit Spannung oder gelöst, kraftvoll oder schwebend leicht, kompliziert oder schlicht – Schwaen musiziert mit zwingender Musikalität.

Ähnliches trifft auf das Capriccio für Violine und Klavier zu. Für die gleiche Besetzung geschrieben, »kanalisiert« Schwaen hier seine Absicht auf die Präsentation eines speziellen Gestus, auf eine »Hommage à Strawinsky«. Die Vorbildwirkung dieses Meisters ist bekannt; Schwaen sprach gar von »Beeinflussung«. Und so lebt das bündig kurze und kapriziöse Stück von formelhaft kreisender, kurzgliedriger und repetitorischer Bewegung. Es gibt sich tänzerisch locker, ja spielerisch. Ein kantabler, gelegentlich improvisatorisch wirkender Mittelteil lässt das »capriccioso« besonders gut zur Geltung kommen.

In Schwaens reichhaltigen Kammermusikfundus der letzten zwanzig Jahre sind lediglich fünf Werke für Violine und Klavier enthalten, zum Teil angeregt durch den Rostocker Geiger Ulfert Thiemann. Nur geringfügig anders sieht das Bild bei der Duobesetzung mit Violoncello aus. (...) Die Stücke bieten dankbare Aufgaben für jene Cellisten, die besonders dem Umgang mit den differenzierten klanglichen Möglichkeiten ihres Instruments Interesse abgewinnen können. Und diese scheinen sich auch in den Sequenzen in Es – das tiefe Es bestimmt beziehungsreich das gesamte Stück – zunächst so »naiv« wie kompliziert im Beherrschen des Technischen zu erschöpfen, setzen aber – das zeigt ein zweiter Blick sehr schnell – im Rahmen der vier rhapsodisch frei gestalteten Sätze einiges mehr voraus: das Gefühl für die Dynamik des Linearen, für die klangliche Eigengewichtigkeit und strukturelle Prägnanz figuraler Verläufe, die bei Schwaen zwischen motivisch fest umrissener, zumeist tänzerischer Gestik, spielerischer Verfremdung – Gavotte (nach J. S. Bach) – und der großen Attitüde des Konzertanten sehr differenziert ausfällt.

Das Differenzierungsvermögen auf engstem Raum prägt auch die miniaturhaften Vier slawischen Tänze für Violoncello und Klavier. Schwaen »reaktivierte« Klavierstücke gleichen Titels von 1963 für eine veränderte Besetzung. Es sind kleine Kostbarkeiten, die in ihrer unaufdringlichen melodisch-rhythmischen Bindung an östliche Folklore der Heimat Schwaens erinnern und in jedem Takt den Meister offenbaren.

Ekkehard Ochs

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